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52° 26' 17'' N, 13° 15' 44'' E
Toleranz: Duldsamkeit, Nachsicht, Großmut, Verständnis. So steht es im Duden.
Wir leben im Fitness-Zeitalter. Fit sein ist alles. Vor allem der Körper soll gestählt werden, auf die Form kommt es an — definierte Muskeln, flacher Bauch, straffe Haut. Fitness-Studios boomen, als Hobby für Jugendliche, als Ausgleich zur Arbeit, als Prävention und Linderung erster Gebrechen für Ältere.
Ja, ich gebe es zu, auch ich bin Mitglied, gehe regelmäßig schwimmen, turnen, saunen. Mit vielen, vielen anderen, manchmal wird es recht eng vor den schmalen Spinden im Umkleideraum, bilden sich Schlangen vor den Geräten, gibt es Stau auf den Bahnen im Schwimmbad. Allgemein geht man freundlich distanziert miteinander um, schließlich leidet man gemeinsam und ist gleichzeitig Teil der großen „Ich halte mich fit”-Familie. Manchmal kommt es allerdings zum großen Familienkrach, da treffen Welten aufeinander, die sich sonst vielleicht nie berühren.
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52° 27' 47'' N, 13° 21' 51'' E
Die Reise geht nach Sizilien und Böhmen — Böhmen am Meer, da weiß man gleich, dass man sich in einem Märchen befindet.
Ausgestattet mit Fleecedecken und Punsch sitzen wir in einem Zelt im alten Lokschuppen auf dem Schöneberger Südgelände, und Sizilien glänzt weiß und gold, eitel Freude überall. Doch ein eifersüchtiger Tyrann zerstört sein Glück, ein Freund muss fliehen, ein Junge und seine Mutter sterben, ein Neugeborenes wird ausgesetzt — Perdita, die Verlorene, heißt das Mädchen —, und ein Chor der Zeit streckt die Pause auf sechzehn Jahre.
Böhmen ist bunter, fröhlicher mit norddeutsch schnackenden Schäfern, einem rappenden Dieb, und einem verliebten Prinzen, der auf dem Schafschurfest tanzt und dann doch mit seiner Perdita fliehen muss — nach Sizilien, wo sich alles märchengerecht zum doppelten Happy-End fügt.
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52° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E
Stille Tage, Zeit für Erinnerungen. Ich gehe spazieren im frischen Schnee und genieße die Stille, das Weiß. Es kann etwas sehr Schönes sein, wenn alles schweigt, und es kann ganz furchtbar sein, wenn alle schweigen.
„Im Labyrinth des Schweigens” ist ein Film über das zweite Schweigen, über ein schweigendes Land fünfzehn Jahre nach Kriegsende, das nichts mehr wissen will von den Verbrechen, die im vermeintlich tausendjährigen Reich verübt wurden. Schon der etwas sperrige Titel verweist darauf, wie man sich verlieren kann in den stillen Gängen, an den Mauern des Ungesagten, und wie schwierig es ist, einen Weg hinaus zu finden, Zeugnis abzulegen. Und der Film findet Bilder, die diese Atmosphäre einfangen, den Schrecken des Schweigens, das Erschrecken, wenn das Schweigen endlich gebrochen wird.
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52° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E
Le Havre ist ein Film von Aki Kaurismäki aus dem Jahr 2011. In sehr stilisierten Bildern schildert er die Geschichte vom Schuhputzer Marcel Marx, der einem Flüchtlingsjungen aus Afrika hilft, zur Mutter nach London zu kommen. Ein humanistisches Märchen, in dem selbst der strenge Polizist am Ende den Jungen schützt. Film ist keine Realität, sagt Kaurismäki. Bei ihm tragen die Flüchtlinge ihre besten Sachen, als die Polizei den Container aufbricht, sprechen die kleinen Leute in gewählten Worten, sind Kulissen saubere, bis ins Kleinste ausgeklügelte Farbkompositionen.
Was hat das mit Würde zu tun? Sprache und Bilder verleihen den Menschen Würde, geben ihnen zurück, was menschenunwürdige Bedingungen ihnen genommen haben. „Würde ist das, was uns als Menschen ausmacht.” Kaurismäki will nicht Menschen in ihrem Elend zeigen, sondern Menschlichkeit. Die Rückeroberung von Würde durch Sprache, nennt es der Hauptdarsteller.