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59° 49' 42'' N, 21° 35' 6'' E
Am Rande des Schärenmeers, zwischen 2000 Inseln, ist es still, ab und zu braust der Wind, schüttelt Schiff und Crew durch, sonst kein Laut, nirgends.
Der Hafen auf Jurmo hat Platz für achtzig Boote —im Sommer reicht das kaum, Anfang September liegen zwei am Steg. Strom gibt es nicht, die Duschen sollen eventuell offen sein, die Trockentoiletten sowieso, erzählt das finnische Seglerpaar, das gerade aus Schweden kommt und uns Tipps für die Weiterfahrt gibt. Mit etwas Glück finde man noch offene Serviceeinrichtungen in finnischen Häfen, viel Platz gebe es überall und unique nature.
Auch Jurmo ist Natur pur, ohne Ablenkung. Natur zum Sattsehen, Sattfühlen, Sattschmecken. Flach und felsig ist es, Heidekraut wächst und roter Storchschnabel. In den wenigen Häusern rührt sich nichts, auf den Wegen sind wir allein, und auch die Stegnachbarn sind samt Hund in ihrem Boot verschwunden. Nur am Himmel finden die vielen Sterne kaum Platz.
So lonely …
Am nächsten Tag haben wir das Meer für uns, doch was soll schon passieren? Tanks und Batterien sind gut gefüllt, Konserven ausreichend vorhanden. Zum Glück, denn auch am Ende eines engen Sunds — der dem Kapitän in der funkelnden Sonne die Schweißperlen auf die Stirn treibt —, liegt kein lebendiges Städtchen Karlsby, sondern ein Geisterhafen, in dessen verlassenem Restaurant offene Fenster klappern. An der Tankstelle gibt es weder Diesel noch Benzin; fünf vor fünf reicht die Zeit gerade noch, um Bier zu kaufen, dann schließt auch die Butik. Einen Northern könnte man hier gut drehen, mit einsamen Seglern auf der Suche nach … irgendwas oder irgendwem.
Unsere Zeit in Finnland geht wohl zu Ende.
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59° 51' 48'' N, 22° 25' 18' E
Nebelschwaden fallen filmreif in Hanko ein, mitten am Tag verschwinden Boote und Stege, Bäume und Häuser. Kaum eine Viertelstunde später ist der Spuk vorbei, strahlt die Sonne zwischen Wolken in allen Grauschattierungen.
Go west …
Jede Menge Wetter gibt es auf dem Weg nach Westen. Neben die mässig verlässlichen Berichten verschiedener Wetterdienste helfen der Blick des Kapitäns in unterschiedlichste Wolkenformationen und die Kopfschmerzen der Seefrau, die ebenso präzise wie ein Barometer einen Druckabfall vorhersagen.
Gut geschützt von Winden jeglicher Richtung und Stärke liegen wir am Schwimmsteg auf Rosalalandet, wo Kaufmannsladen und Boote bereits winterfest gemacht werden. Seit der Kapitän im letzten Hafen einem Einhandsegler beim Anlegen geholfen hat, sind wir glückliche Besitzer des Käyntisatamat, eines Handbuchs für finnische Gästehäfen, dessen Herausgeber der dankbare Segler ist. Das erleichtert die Wahl bei 1992 Anlegemöglichkeiten. Wobei die Auswahl natürlich schon durch unseren Weg eingeschränkt ist, und die ganz idyllischen Plätze angesichts der doch kühleren Abende und unklaren Wetterlage auch wegfallen, doch es bleiben noch verwirrend viele rote Segelboote — Gästehäfen, Servicehäfen oder einfach Anleger — auf der Karte, die wir anlaufen könnten.
Das Barometer fällt tief. Zeit zum Aufräumen, Putzen und für einen Landgang. Über den Wipfeln finnischer Kiefern und Birken pfeift der Wind aus Westen.
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59° 58' 2'' N, 24° 26' 45'' E
Dicht unter der Wasseroberfläche spitze Felsen, Schaumkronen an kupferbrauner Stein, duftende Kiefern auf großen und kleinen Inseln. Ein wilder, weiter Garten im Wasser, abgesteckt mit roten und grünen Stangen.
Auf Wiedersehen, Helsinki, das uns lieb und teuer geworden ist (über den Preis für das glücklich erworbene Gas schweige ich besser). Der dritte Seemann ist von Bord gegangen, zu zweit ziehen wir nach Westen entlang der Schärenküste, dem Herbst entgegen. Unwiderruflich geht es zurück, und wir reisen immer langsamer an wunderbar sonnigen Tagen. Ungewöhnlich heiß sei es um diese Zeit, sagen die Finnen — so ein Glück.
Noch genießt der Kapitän das morgendliche Bad im Meer, noch wärmt sich die Seefrau an nordischer Sonne, noch gibt es frische Zimtbrötchen zum Frühstück. In ein paar Tagen schließen die kleinen Häfen mit Kiosk und Sauna, am Himmel treiben erste Wolken, und wir segeln unbeirrt zwischen den Inseln, schauen auf Häuschen, Stege und Bänke.
Langweilig kann es sowieso nicht werden, die finnischen Seekarten gleichen Wimmelbildern, die mit dem dreidimensionalen Bild draußen ununterbrochen abgeglichen werden müssen. Oder umgekehrt: Vor unseren Augen wimmelt es nur so von Schären, Felsen und Stangen, die auf Karten und Plotter erst einmal gefunden werden wollen. Nach zwei Tagen ist die Aufregung gespannter Aufmerksamkeit gewichen, wagen wir Segelmanöver — denn was gibt es Schönes, als beinahe lautlos an Schären vorbeizugleiten?
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60° 9' 13'' N, 24° 56' 51'' E
Schlanke Rümpfe gleiten elegant durch flaches Wasser, schwarze Motoryachten lassen James-Bond-Feeling aufkommen, poliertes Holz glänzt mit Edelstahl um die Wette, und dazwischen bewegen sich Boote jeglicher Größe, jeglichen Alters und jeglicher Fortbewegungsart.
Come sail your ships around me …
Seit Tagen beschert ein Hoch mit Wind von Osten Helsinkis vielen Häfen schönste Sommertage und kühle Nächte und alle, wirklich alle nutzen noch einmal das vielleicht letzte sommerliche Wochenende für eine Fahrt auf die Schären, die vielen Felseninseln.
Vom Vereinssteg auf Skifferholmen haben wir den besten Blick auf die Stadt, die vielen Vereinsanleger, die voll besetzten Cafés. Nach der baltischen Ruhe und Einsamkeit brauchen wir Zeit für die Umstellung, putzen das Boot und genießen die Sonne.
Mit einer kleinen Fähre geht es hinüber ans Stadtufer und wieder zurück. In den Parks spielen Musiker, in Restaurants gibt es Sapas, die finnische Variante der spanischen Tapas, in den Auslagen Designmöbel und -kleidung.
Der Kapitän hat dafür keinen Blick, er muss sich um Gas für den Kocher kümmern. In Europa ist der Euro mehr verbreitet als ein einheitliches Gassystem. Fast in jedem Land gibt es andere Anschlüsse, werden mitbrachte Flaschen nicht wieder gefüllt. Kein Problem auf einer kurzen Reise, da reicht eine Flasche zum Wechseln, doch die ist nun auch leer, und da die Seefrau morgens ihren Cappuccino braucht, ist guter Rat beziehungsweise auch ein neues System teuer, falls der erforderliche Anschluss überhaupt aufzutreiben ist.
So lernen wir die Helsinki gut kennen, zu Fuß und mit dem Fahrrad, lassen uns von den entspannten Finnen anstecken, sitzen im Sonnenschein in Cafés und überlegen, ob wir nicht auch den nächsten Urlaub in den finnischen Schären verbringen sollten.