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46° 39' 38'' S, 169° 6' 11'' E
Sonnenheiße Tage, klirrendkalte Nächte (zum Glück gibt es Fleecedecken in Outdoorläden), wolkenverhangene Berge (Regen oder nicht, das ist hier tagtäglich die Frage). Das einzig Beständige im Süden der Südinsel ist der Wechsel — beim Wetter sowieso, bei der Landschaft zwischen Regenwäldern mit Wasserfällen, schroffen Klippen mit weiten Buchten, endlose Wiesen, auf denen sich weiße Schafe und schwarze Rinder unregelmäßig regelmäßig verteilen, und tief eingeschnittenen Fjorden, durch die der Wind pfeift. Und immer, wenn man denkt, es gönnte nicht Schönes mehr kommen, wartet die nächste Überraschung.
Im Fjordland-Cinema läuft vormittags ein Dokumentarfilm und jeden Abend ein anderer Spielfilm. Wir sehen August Osage County in extrabreiten roten Samtsitzen mit Bedienung am Platz und zusätzlicher Verzehr- und Kommunikationspause in der Filmmitte. Der Streifen ist ein Fest für die Schauspieler, wunderbare Dialoge und vor allem eine großartig böse und gemeine Meryl Streep — and my Oscar goes to her.
Im Fjordland fahren wir Stunden durch menschenleere Gebiete, kaum einmal ein Gehöft hinter dichten, kantig zurechtgestutzten Hecken, dann eine Kurve und das tiefblaue Meer liegt vor uns. 5000 km bis zum Südpol und auch fünftausend bis zum Äquator, in der Porpoise Bay ziehen Hektor-Delfine (die mit der runden Flosse) ihre Jungen groß, nebenan in der Curie Bay tun Gelbaugenpinguine das Gleiche. Am Tage können Glückliche, die kaltes Wasser nicht scheuen, mit Delfinen schwimmen, und in der Dämmerung kommen die Pinguineltern aus dem Meer, um ihre Jungen zu füttern. Da können hinter einem gelben Seil als Absperrung auch Frostbeulen in drei Lagen Wolle zusehen. Große Schilder warnen vor den Seelöwen, jede Menge andere zeigen in Wort und Bild, wie und warum man zu allen drei Gattungen Abstand halten soll. Schutz gefährdeter Tierarten wird großgeschrieben, und man setzt auf Vernunft und Selbstkontrolle.
Einen Tag sitzen wir am Meer und beobachten das entspannte Nebeneinander von Surfern, Schwimmern und Delfinen in den Wellen. Am nächsten Morgen ist die Bucht ungewöhnlich leer und Curie Bay landesweit in den Nachrichten. Zum ersten Mal hat ein Hai an diesem Ort einen Surfer angegriffen und zum Glück nur verletzt.
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45° 24‘ 50‘‘ S, 167° 43‘ 8‘ ‘E
In Neuseeland gibt es keine Schlangen, es gibt überhaupt keine gefährlichen Tiere, aber wohl welche, die unheimlich nerven, deren Stiche man noch wochenlang spürt, und die sich gerade besonders schöne Landschaften für ihr Dasein ausgesucht haben — die Sandflies sind eine Plage, machen die schönsten Strände zur Folterkammer, die besten Stellplätze zu Orten, von denen man lieber flüchtet und den herrlichen Milford Sound zu einem recht zwiespältigen Paradies.
Schönstes Sommerwetter haben wir — selten klettert das Thermometer hier über 20 Grad, an zweihundertdreißig Tagen im Jahr regnet es, doch wir haben die sonnigen Tage erwischt, nur wenige Wölkchen trüben den Himmel, es ist ungewöhnlich warm im Fjordland und die nächsten vierundzwanzig Stunden kein Regen in Sicht. Also nichts wie rauf auf die 120 km lange Strecke zum Sund.
Allow two hours, steht unter der Kilometerangabe. Wir sollen ins also nicht beeilen, wollen wir auch gar nicht und suchen bald nach einem Platz für Nachmittag, Abend und Nacht. Der ist schnell gefunden und ebenso schnell wieder verlassen, als Wolken von Sandfliegen sich auf uns und den Wagen stürzen. Es wird also nichts mit dem Platz am Fluss, stattdessen zieht es uns höher. Auch von hier ist der Blick fantastisch, Tal und Fluss liegen uns zu Füßen, als wir mit langem Hemd, langer Hose, Strümpfen und Moskitohut im Schatten schwitzen.
Die kleinen, schwarzen Biester schlagen nicht nur in der Dämmerung zu, warten geduldig auf Hosen und Jacken, bis sich ihnen ein Stück freie, nicht eingesprühte Haut bietet — und zack, tauchen an Füßen und Händen rote Punkte auf, die fürchterlich jucken und Blasen bilden. Weder Sonne noch Wasser schrecken Sandflies. Das Schiff, mit dem wir den Fjord erkunden, hält nicht nur für die menschlichen Passagiere ein Festmahl bereit.
Doch der Wind ist unser Freund — und Insektenabwehrmittel gehören zum Bordservice.
Blow winds, blow.
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44° 9' 57'' S, 170° 12' 48'' E
Ein See wild wie ein Meer, fast. Der Wind von den Bergen treibt die Wellen an den Kieselstrand. Braun und grau ragen die Berge über dem leuchtend grünen Wasser auf, und ganz am anderen Ende durchbricht der Aoraki die Wolken. Lange Zeit hieß der höchste Berg Neuseelands Mount Cook, nun trägt er auch wieder den Maori-Namen.
Für uns ist der Lake Pukaki die erste Station als Freedom-Camper. Wenn es nicht ausdrücklich verboten ist, kann man mit einem Wohnmobil, das über Toilette und Schmutzwassertank verfügt, überall in Neuseeland campen. Hier am See besonders schön, weit genug weg von der Straße und mit Blick auf die Berge, ein Logenplatz mit Wellengeplätscher, schon vom Platzangebot eine Alternative zu den Campingplätzen, wo man häufig Tür an Tür steht. Wir brauchen zwei Anläufe, um den Platz zu finden, natürlich gibt es keine Schilder, nur andere Camper, die dort stehen.
Abends füllt sich auch dieser Ort, doch achten alle darauf, keinem anderen die Sicht zu nehmen, und verteilen sich großzügig im Gelände. Neuseeländer, Spanier, Chinesen und Deutsche in Caravans, Campervans, Autos und Zelten, denn im nahen Wäldchen gibt es eine Trockentoilette, streng nach Gents und Ladies aufgeteilt, aber dennoch spätestens am Morgen nur für absolut geruchsunempfindliche Menschen zu benutzen.
Doch der Blick ist fantastisch, weit über den See, bis die letzten Sonnenstrahlen verschwunden sind. Wunderbar ist auch ein Bad am Abend und am Morgen im recht frischen Wasser — jedenfalls nach Aussage des Gatten. Mir genügt ein Fußbad nach einer vierstündigen Wanderung zum Gletschersee und zurück.
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42° 23' 43'' S, 173° 40' 45'' E
Türkis, silberblau, smaragdgrün, indigo — das Meer hat viele Farben, ist wild und kühl an der Ostseite der Südinsel. Am anderen Ende der Welt ist alles umgekehrt, je weiter man nach Süden kommt, desto kühler wird es, auf der Südinsel herrscht eher skandinavisches Sommerwetter, also für mich kaum eine Chance auf ein Bad im Meer. Der Westwind bringt Regenwolken, der Südwind eisige Polarluft.
Rein in Wollpullover und Windjacke, raus aus Windjacke und Wollpullover, und immer schön eincremen von wegen Ozonloch, und immer die Mütze auf. Ein Land für Outdoor-Bekleidung, für das Zwiebelprinzip. Ein Meer für Robben und Wale.
Die ersten Siedler aus Polynesien folgten den Walen und entdeckten ein noch unbewohntes Land im Meer. Etwa fünfhundert Jahre später entdeckten die ersten weißen Siedler die Walschulen in den Buchten und freuten sich über den leichten Fang. Ende des 20. Jahrhunderts entdeckte die Tourismusbranche Whalewatching als Einnahmequelle, und so fahren und fliegen heute Maori in Kaikoura Touristen zur Bilderjagd. Bekannt ist Kaikoura auch für Crayfish — Langusten — , die man überall bekommt, allerdings mit dem Hinweis, man solle sich den Verzehr genau überlegen, denn ein Tier brauche fünf bis acht Jahre, um heranzuwachsen. Wir teilen uns zu zweit ein halbe Languste.
Abends finden wir in der Goose Bay einen Stellplatz direkt am Meer. Vier kleine, staatliche Campingplätze gibt es in der Bucht, drei liegen am Meer — bei dem Ausblick, bei Robben, die sich nur wenige Meter entfernt sonnen, nehmen wir die nahe Straße gerne in Kauf und lauschen dem Wellenrauschen.