54° 15' 54'' N, 13° 10' 50'' E
Märchenblau verwunschen ist die Ostsee an diesem Wintertag, an dem der Himmel ebenso blau strahlt und man fast an Frühling denken könnte, wenn da nicht die leeren Dalben im Wasser und die vollen Gerüste an Land wären. Schon einmal waren wir im Winter am Strelasund und am Greifswalder Bodden. Mehr als zehn Jahre ist das her.
Zum Segeln gibt es an der deutschen Ostseeküste kein besseres Revier — am Wochenende der geschützte Bodden und die Sunde, viele Häfen auf Rügen und Hiddensee, dazu Greifswald, und wenn man länger Zeit hat, sind auch das Stettiner Haff oder Bornholm, sind Polen, Dänemark oder sogar Schweden nicht weit. Fast immer geht ein Wind, doch vor allzu heftigem Wetter ist man zwischen Inseln und Festland geschützt. Nur vor den Flachgebieten muss man sich hüten, um nicht auf Grund, den Bodden, zu laufen. Aber das hatten wir ja nicht vor, suchten einen Liegeplatz für unser Boot an jenem Wochenende. Gleich in den ersten Hafen haben wir uns verliebt: Neuhof, über eine Holperstraße mit vielen Schlaglöchern zu erreichen, mit Blick auf Rügen, abseits von allem. Ja, sagten wir uns auf der neu gebauten Terrasse des noch geschlossenen Restaurants, hier würden wir gerne Stunden, Tage und sogar Wochen verbringen. Was wir dann auch getan haben, fünf Jahre lang, allein und mit Freunden, vor und nach langen Sommertörns und an vielen, vielen Wochenenden.
Dann haben wir ein Boot in Spanien gekauft, es überführt, repariert, aus- und umgerüstet, haben zwei Mal zehn Wochen darauf gelebt, sind von Hafen zu Hafen gewandert. Aus einem Jahr wurden zwei, und schließlich waren fünf Jahre ohne Heimathafen vergangen.
Dieses Mal liegt kein Schnee, aber es schwimmt noch Eis im Sund. In Neuhof sei kein Platz mehr, sagt man uns am Telefon; also vielleicht doch ein Hafen auf Rügen. Die Sonne scheint warm, der Blick ist schön. Wenn bloss die Anfahrt nicht wäre, denn trotz der zweiten Brücke neben dem Rügendamm, sind die Straßen ja nicht breiter geworden, und der Wochenendstau ist ebenso legendär wie unvermeidlich. Also Stralsund, Nordmole, nicht so idyllisch, aber ein guter Ausgangspunkt, sowie Altstadtflair und jede Menge Restaurants. Oder doch Greifswald? Noch ist es hell, wir fahren hin.
Am Abzweig nach Neuhof biegen wir ein. Man kann ja nie wissen, manchmal findet sich ja doch etwas, und tatsächlich: Ein hässliches Entlein, ein ungewollter Platz wird unser Schwan. Im Mai werden wir zurückkehren. Nicht umsonst heißt unser Schiff Volver, steht am Heck unter diesem Namen Neuhof als Heimathafen.