59° 26' 55'' N, 24° 43' 52'' E
Die Boje versinkt im Wasser, das Schiff schnellt nach vorn zum Schwimmsteg, wird kurz davor zurückgerissen, schwingt zur einen, dann zur anderen Seite, pendelt langsam aus. Alle Stunde läuft eine Schnellfähre aus Helsinki in Tallinn ein und bringt Bewegung in den gerade eröffneten Port Noblessmer.
Wir liegen an einer Baustelle. Rechts bröckelt der Beton am alten Marinekai, links löst sich der Putz der verlassenen Fabrikhalle, in der ein Küchencontainer des Café Noble steht — ein Provisorium mit Stil, Loungechairs und gutem Essen. Auch hören wir hier den Sandstrahler der Werft nicht mehr. An entkernten Hallen vorbei geht es durch einen Park zur Uferpromenade oder zur Altstadt.
Gebaut wird viel in Tallinn in diesem Sommer, über und in der Erde, selbst im mittelalterlichen Stadtkern rattern Maschinen, leuchten Fassaden frisch verputzt, glänzen Informationsschilder zur Architektur an den Hauswänden. Innen ist es dunkel, wird gebrutzelt und gebacken, Kaffee geröstet und Schokolade gerührt. Nicht nur unsere Augen bekommen reichlich Futter, auch für die Gaumen ist gesorgt.
Außerhalb der Mauern des mittelalterlichen Weltkulturerbes wird an der jungen Stadt gefeilt, spielen Kinder in großen Parks, genießen Jung und Alt die ungewöhnlich warmen Sommertage, stehen alte, russische Holzhäuser an neu asphaltierten Straßen, warten schmucklose Betonbauten auf helle Holzverschalungen, und an der alten Stadtmauer wird eine Tafel zu Ehren Boris Jelzin angebracht, der als russischer Präsident für die Unabhängigkeit Estlands eintrat — so steht es dort in Estnisch, Englisch und Russisch
Über den Dächern von Tallinn schauen wir aufs Meer.