10° 24' 51'' N, 76° 5' 9'' E
Der Tag beginnt kurz vor sechs in der Morgendämmerung, das Meer rauscht, die ersten Vögel zwitschern. Zuerst eine Tasse heißes Wasser, dann Meditation in der Yogahalle. „Take a deep inhalation and a long exhalation.” Der englisch-indische Singsang klingt fremd und lädt uns ein, den Stimmen der Natur zu lauschen, uns eine halbe Stunde zu sammeln. Danach bleibt die Wahl zwischen Yoga, einem morgendlichen Bad im Pool oder im Meer, bevor die Sonne zu heiß brennt.
Um in die Abgeschiedenheit von Nattika Beach zu gelangen, galt es, der indischen Bürokratie Genüge zu tun. Noch nie habe ich so viele Formulare ausgefüllt, so oft Pass, Visum und Bordkarte vorgezeigt. Dabei haben wir uns auf das Abenteuer des erst seit Kurzem erhältlichen Tourist Visa on Arrival eingelassen, also zu Hause mehrere Stunden am Computer verbracht, ausgefüllt, gescannt, bezahlt, und standen schließlich als Einzige vor dem verwaisten abgeschlossenen Extraschalter in Kochi. Der wurde dann allerdings schnell besetzt, und nach Foto, Fingerabdrücken und Formular, prangte der ersehnte Stempel im Pass.
Zurück zum geregelten Leben im Resort, Regelmäßigkeit ist eines der Grundprinzipien des Ayurveda, hat Frau Dr. Hema in der Eingangsuntersuchung erklärt. Dazu gehören die drei Mahlzeiten am Tag, die festen Zeiten der Behandlungen, Medikamente und Ruhe, Meditation und Yoga (falls gewünscht, der Mann verlegt sich lieber aufs Schwimmen). Dr. Hema und ihr Team haben festgestellt, welche Doshas im Ungleichgewicht sind und den Kurplan für die erste Woche danach eingerichtet: Vier kräftige Hände massieren Öl in die Haut, stempeln die Schlacken los, tragen warmes Öl auf schmerzende Stellen auf. Einzelmassagen sind schön, Synchronmassagen sind doppelt schön. Zwei Stunden jeden Tag, und danach liege ich erst mal eine Stunde schwitzend im Schatten und trinke Wasser, Wasser, Wasser.
Einen Ernährungsplan gibt es natürlich auch, damit wir uns das Richtige vom Büffet aussuchen (am ersten Abend haben wir noch zu fast allem gegriffen, was in der bunten und würzigen Vielfalt von Früchten und Salaten, vegetarischen Currys und Reisgerichten, Süßspeisen und Broten angeboten wurde). Nun soll es vor allem warm für mich sein, das ist immer noch Auswahl genug, als Getränk gibt es Kräuterwasser in drei unterschiedlichen Geschmacksrichtungen sowie Fruchtsäfte — höchstens ein Glas und am besten erst eine Stunde nach dem Essen.
Die erste Woche ist nicht nur wegen der Hitze anstrengend, trotz der freundlichen Gesichter, trotz der hilfreichen Hände überall. Alte Zipperlein melden sich, neue kommen dazu, und dann ist er endlich da: Virechana, der Reinigungstag, die gelösten Schlacken müssen ausgeschieden werden mithilfe eines Gebräus aus Rizinusöl, Zimt und anderen Gewürzen sowie viel heißem Wasser. Einmal grundgesäubert geht es in die zweite Woche.