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Ao tea roa Wellington
41° 17' 29'' S, 174° 46' 52'' E
Ao tea roa — Land der langen weißen Wolke — nannten die ersten Entdecker Neuseeland, als die Insel vor ihnen auftauchte. Und kaum hatte unsere Fähre den Marlborough Sound verlassen, saßen wir auch schon im dicksten Seenebel, der sich erst kurz vor Wellington lichtete, das auch nicht grundlos den Beinamen Windy City bekommen hat, denn nur der bläst die Wolken ab und zu weg.
Coolest little Capital, leuchtet es rot auf einem Laufband um ein Gebäude am Kai. Sehr entspannt ist es auf jeden Fall, bis auf die Parksituation, die uns zu abenteuerlichen Umpark- und Automatenfütteraktionen zu früher Morgenstunde zwingt. Das ist aber auch wirklich das einzig Anstrengende an unserem Aufenthalt, der ungeplant bzw. unwissend in den Anfang des New Zealand Festival fällt. So stolpern wir am ersten Abend in die Technikprobe zum Big Bang, dem Eröffnungskonzert unter freiem Himmel. Stundenlang üben zweihundert Schüler Trommelsequenzen, feilen Gemeindechöre an den Einsätzen und achten die Profis von Strike und Koru darauf, dass es unter der silbernen Weltkugel gemeinsam gut klingt.
Bei den Schülern ist am besten zu sehen, wie unterschiedlich sich die Bevölkerung Neuseelands zusammensetzt, aus allen Landesteilen und sogar von den Cook-Inseln kommen sie. Gesungen wird auf Maori und in Englisch. Begeistert und mit Inbrunst.
Neuseeland ist nicht nur im Hinblick auf die Natur, sondern auch auf die Menschen aus allen Erdteilen und mit allen möglichen religiösen Hintergründen wie ein Welt im Kleinen, die aber ohne größere Konflikte auskommt. Klein sein ist sicher ein Vorteil, viel Platz zu haben sicher auch, aber es gehört auch eine Politik dazu, die inzwischen sehr auf gemeinsame Identität und geringe Einkommensunterschiede setzt. Gleich und gerecht. Bei jedem Blick in die Nachrichten wünsche ich, es würde etwas von der Welt im Kleinen auf die Welt im Großen abfärben, so wie die Gelassenheit der Kiwis immer mehr auf uns abfärbt.
Am Eröffnungsabend ist der Platz unter der Weltkugel voller Menschen, der Wind jagt die Wolken schnell über den dunklen Himmel, die Trommeln dröhnen, die Stimmen jubeln, Kinder wippen auf den Schultern von Müttern und Vätern. Handys und Tablets werden hochgehalten, Profis und Laien gleichermaßen mit Beifall belohnt, und zum Schluss wird gemeinsam gesungen, ein Lied, das alle hier kennen.
One love, one heart, let's get together and feel all right.
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Die Welt ist rund
23° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E
Keine neue Erkenntnis, zugegeben (nur die katholische Kirche hat ein paar hundert Jahre länger gebraucht), aber ich habe den Erdball noch nie umrundet, weshalb es ganz schön aufregend ist, damit morgen in östlicher Richtung anzufangen.
Nein, diesmal nicht mit dem Boot — ganz abgesehen davon, dass sich unsere Breitengrade im Augenblick zum Segeln wenig eignen, kann ich allen, die eine Weltumsegelung mit ewig blauem Himmel, steter Sonne und leichtem Wellenplätschern verbinden, nur einen Besuch des Films All is Lost empfehlen. Von kurzen schönen Momenten abgesehen kämpft sich der Alleinsegler — tapfer, tapfer Herr Redford, und das in Ihrem Alter — von Katastrophe zu Katastrophe (Leck durch herumtreibenden Container, Sturm, Durchkentern, Mastbruch, Schiffsuntergang usw.). Obwohl dem kritischen Seglerblick manche Ungereimtheiten auffallen, obwohl mir der Kapitän versichert hat, er würde das Leck auf jeden Fall haltbarer abdichten, und obwohl wir stets Funkgeräte, sowie GPS-Sender und -empfänger in mindestens zweifacher Ausführung an Bord haben, wäre ich als Seefrau schon nach dem ersten Ereignis in Panik ausgebrochen und hätte SOS gefunkt und hoffentlich jemanden erreicht. Natürlich kann auch alles gutgehen, aber wenn nicht, ist es eben kein Spaß. Und ein Jahr hätte auch nicht gereicht, schon gar nicht bei der Sache mit der Rettungsinsel.
Deshalb wird die Welt also nun im Flugzeug umrundet mit Zwischenstopps in Hongkong, Neuseeland, den Cook-Inseln und Los Angeles. Wir werden zu Fuß unterwegs sein, Bahnen und Busse benutzen, mit Fähren übersetzen. In Neuseeland werden wir mit einem Campingwagen fortbewegen, weiterhin also im mobilen Schneckenhäuschen unterwegs sein, ohne Kiel, aber mit vier Rädern.
Neuseeland gilt als einfaches Reiseland, nur bei der Einreise wird es schwierig. Die Insel möchte die Krankheiten und Seuchen der anderen Länder gerne fernhaften, weshalb man neben den üblichen verdächtigen Dingen auch vieles andere nicht mitnehmen darf: Lebensmittel natürlich, vor allem frische, tierische und pflanzliche Produkte, vor allem unbehandelte, Mikroorganismen jeglicher Art und eben auch Erde, weshalb ich einen halben Tag Schuhe geputzt habe, was ich sonst noch nicht einmal zum Nikolaustag tue, aber so ein bisschen Beschäftigung dämpft ja auch die Aufregung. Nun ist alles blank und bereit. Ein dicker Packen Unterlagen liegt auf dem Schreibtisch, gebuchte Urlaubsversprechen schwarz auf weiß, die sich bald bunt materialisieren werden. Was nehmen wir noch mit? Man sollte eher mit leichtem Gepäck reisen, raten die einschlägigen Foren, also ein bis zwei Sets pro Wetterlage (vier Jahreszeiten kann man an einem Tag in Neuseeland erleben). Und was ist wirklich überflüssig? Espressomaschine? Milchaufschäumer? Fleecedecke?
Nicht 80, nur 72 Tage wird unsere Weltumrundung dauern, bloß ein kleines Abenteuer mit genügend Zeit zum Schauen und Wundern.
Alles wird sich finden.